Regionalität braucht tragfähige
Rahmenbedingungen
Pressemitteilung
(Teltow, 12. Juni 2025) Auf dem gestrigen „Infotag an den Parzellen“ zeigte sich einmal mehr das Missverhältnis zwischen dem hohen Engagement von Landwirten, Forschungsgruppen und kleiner Unternehmen für mehr regionale Kulturen-Vielfalt auf dem Acker und – auf der anderen Seite – den fehlenden politischen Rahmenbedingungen für deren erfolgreiche Etablierung am Markt.
Kulturen wie Kichererbse, Linse, Erdnuss oder wertvolle glutenfreie Pseudogetreide wie Buchweizen, Quinoa, Amarant sind klimaresilient, können am Brandenburger Standort gedeihen, werden für die proteinreiche, Allergiker geeignete, pflanzliche Ernährung hoch nachgefragt und haben daher ein enormes Vermarktungspotenzial. Doch die fehlenden Verarbeitungsstrukturen und die Hürden auf dem Weg in den Handel bremsen die lohnenswerten Unternehmungen der Akteure massiv aus.
Nach dem nunmehr 5. Infotag an den Parzellen stellen wir fest: Klimaanpassung und Biodiversität auf dem Acker sind kaum marktfähig. Das bestätigen unsere Praktiker, die für die aufwendige Anbauerweiterung die notwendigen Rahmenbedingungen missen, das bestätigt auch das fehlende Interesse der Öffentlichkeit an dem gestrigen Vorführtag. Es ist ein Armutszeugnis der politisch Verantwortlichen auf Landes- und Bundesebene, dass diese es nicht geschafft haben, Regionalität im Lebensmitteleinzelhandel mit gezielten Maßnahmen in der Breite umzusetzen und Anreize für die Etablierung neuer, hochwertiger Marktfrüchte aus Brandenburg zu schaffen. Der Landesbauernverband hatte zuletzt im März 2024 in seinem Weißbuch eines „Zukunftsplans Landwirtschaft“ konkrete Vorschläge unterbreitet, die zu mehr Verbindlichkeit, Transparenz und Fairness in der Lieferkette zugunsten der Erzeuger beitragen und die bewusste Verbraucherentscheidung für das regionale Produkt fördern. Dies scheint jedoch auch in dieser Legislatur auf Landesebene kein vordringliches Thema zu sein.
„Regional erzeugte Lebensmittel aus Brandenburg sind in den von der Masse der Bevölkerung erreichbaren Supermärkten quasi nicht existent“, erklärte vor Ort Landwirt Holger Jonas, Beauftragter für Ökolandbau des LBV. „Und das seit mindestens zehn Jahren, in denen wir die Begriffe „Regionalität“ oder „regionale Wertschöpfungskette“ strapazieren. Es funktioniert einfach nicht. Zu viele Anbauer dieser so genannten Nischenkulturen stürzen sich auf ein kleines verarbeitendes Startup oder die Landwirte bauen selbst eine aufwendige Direktvermarktung als betriebliches Standbein auf. Die Aufnahmekapazität der angebauten Rohstoffe hat in beiden Fällen seine Grenzen. Es müssen Vermarktungsstrukturen initiiert werden, die etwas wegschaffen können. An die mehrere Bauern gleichzeitig liefern können.“
Beispiel Rispenhirse: Die Kulturpflanze benötigt weniger Wasser als herkömmliche Getreide und eignet sich daher sehr gut für das niederschlagsarme Brandenburg mit seinen sandigen Böden. Sie ist besonders reich an essenziellen Aminosäuren und glutenfrei, was sie zu einem besonders wertvollen Nahrungsmittel sowohl für die menschliche Ernährung als auch für die Tierfütterung macht. Allein das Schälen der Hirse wird bundesweit in nur wenigen Mühlen gewährleistet, erläutert Maxie Grüter von der Koordinierungsstelle am Institut für Umwelt (ILU e.V.) Insgesamt müsse vielmehr darauf hingearbeitet werden, die Schälung von Hirse, Buchweizen, Quinoa oder Amarant für die noch verbliebenen Mühlen in Deutschland attraktiv zu machen und im nächsten Schritt die erforderlichen Lieferchargen für den Einzelhandel zu erreichen.
Dass Wertschöpfungsketten mit Nischenkulturen durchaus aufgebaut werden können, beweist die positive Entwicklung im Kichererbsen-Anbau. Von schätzungsweise acht Hektar Start-Anbaufläche der agt Trebbin im Jahr 2020 stieg die Anbaufläche von Kichererbsen in ganz Brandenburg auf etwa 90 Hektar in insgesamt 15 Betrieben, erläutert Isabella Krause vom Projekt KIWERTa, das sich auf dem Parzellentag vorstellte und sich dem Aufbau einer funktionierenden Wertschöpfung mit Kichererbsen aus Brandenburg widmet.
Dr. Thomas Gäbert, Vorstand der agt Trebbin, der 2020 mit Kichererbsen startete, dämpft dennoch die hohe Erwartungshaltung an das Potenzial der Kichererbse als Marktfrucht. „In den zahlreichen Ernährungsgremien Berlins und Brandenburgs, die u.a. auch über die Umsetzung einer gesunden Gemeinschaftsverpflegung in den Kitas und Schulen befinden, wird „bio“-Lebensmitteln unkritisch der Vorrang eingeräumt, ohne darauf zu achten, ob sie aus Brandenburg kommen. Konventionelle Brandenburger Landwirtschaftsbetriebe, die hochwertige Lebensmittel für die veränderten Ernährungsgewohnheiten vor der Haustür erzeugen, werden nicht berücksichtigt. So lange dieser Hebel nicht umgelegt wird und regional erzeugte Rohstoffe als grundlegendes Kriterium für die Auswahl der Cateringunternehmen festgelegt werden, sind wir noch ein ganzes Stück von der Etablierung neuer Kulturen entfernt.“
Der Landesbauernverband Brandenburg erneuert daher seine Vorschläge aus dem Weißbuch zur Stärkung der regionalen Erzeugung. Er fordert ein entschiedenes politisches Engagement für die Berücksichtigung der konventionellen Anbauer von Proteinpflanzen und Pseudogetreiden aus Brandenburg in den Vergabekriterien für Dienstleistungen der Gemeinschaftsverpflegung sowie für die Verbesserung der Attraktivität des Standorts Brandenburg – Metropolregion mit Berlin als Zentrum internationaler Esskultur – für Lebensmittel verarbeitende Unternehmen.
LBV-Stellungnahmen
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Landwirtschaft"