Wollen wir ein europäisches Bullerbü? 

Pressemeldung

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Meike Mieke

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(Teltow, 1.11.2022) Für 2023 plant die Europäische Kommission die Umsetzung von drei Gesetzesentwürfen, die im Rahmen des „Green Deals“ die Wirtschaftssektoren Finanzen, Energie, Verkehr, Handel und Industrie als auch die europäische Agrarwirtschaft „grüner“ werden lassen sollen. Geleitet von dem Ziel einer europaweit naturnahen, artenreichen und gesunden Kulturlandschaft würden diese Verordnungen radikal in die systemrelevanten Bereiche der Landwirtschaft – Flächennutzung, Pflanzenschutz und Bodengesundheit – eingreifen.

Der Landesbauernverband Brandenburg diagnostiziert in den Entwürfen ein „Transformationsfieber“, ausgehend vom Verwaltungsstandort Brüssel und getrieben durch die nationale Umsetzungsschwäche der Mitgliedsstaaten, in dessen Folge sich Europa von einem landwirtschaftlichen Gunststandort zu einem benachteiligten Standort entwickeln würde. Dies jedoch nicht aufgrund der Folgen des Klimawandels, sondern aufgrund politischer Willkür und vollständiger Abgehobenheit von den bereits real stattfindenden Unternehmungen der Landwirte im Bereich Klimamanagement, Bodengesundheit, Düngerreduktion und integrierter Pflanzenschutz in jedem einzelnen Mitgliedsstaat, vor allem aber in Deutschland.

Der Landesbauernverband befürchtet zudem erhebliche Leakage-Effekte, die landwirtschaftliche Produktion außerhalb der EU-Grenzen verlagern. Diese außereuropäischen Produktionsbedingungen unterhalb der bestehenden europäischen und deutschen Standards können die Umwelt erheblich belasten. Schon jetzt wird laut Umweltbundesamt das Doppelte der landwirtschaftlichen Nutzfläche für die Selbstversorgung Deutschlands mit Lebensmitteln benötigt. Selbst bei einem vollständigen Zurückfahren des Futteranbaus – ein aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Sicht verheerendes Unterfangen – und einer Produktion ausschließlich von Lebensmitteln für die menschliche Ernährung auf den verbliebenen Ackerflächen, wäre eine zusätzlich Produktion von Lebensmitteln in Drittländern unabdingbar. Denn es ist fest davon auszugehen, dass die Maßnahmen des Green Deals in der Landwirtschaft erhebliche Ertragseinbußen verursachen werden, die eine sichere Versorgung mit Lebensmitteln aus heimischer Erzeugung nicht gewährleisten.

Die Europäische Kommission verordnet ein landwirtschaftliches Bullerbü, das es nie gab und im schlimmsten Fall zu Hungersnöten in den Ländern der Welt führen wird, denen wir die Lebensmittel weg kaufen werden. Aus diesem Grund fragen wir: Wollen wir das? 

Hintergrund

Die Verordnung über die Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law) zielt auf die Herbeiführung eines artenreichen, naturnahen Zustands von landwirtschaftlich genutzten Flächen ab. In Brandenburg sind dies insbesondere Maßnahmen der Wiedervernässung von als Grünland genutzten Niedermooren. Dazu bedient sich die Landesregierung kleinteiliger Bewirtschaftungsplanungen durch die Verwaltung.

Die Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (Sustainable Use Regulation) sieht pauschal für alle Länder Europas eine Reduzierung chemischer Pflanzenschutzwirkstoffe um die Hälfte vor, ohne zwischen bisher präzise bzw. sparsam mit Pflanzenschutzmitteln umgehenden Ländern und anderen zu unterscheiden.

Die Initiative zum Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung und Wiederherstellung der Böden (Soil Health Law) in der EU geht von einem schlechten Zustand von 70 Prozent der Böden in den Mitgliedstaaten aus, ohne dafür eine Datengrundlage vorweisen zu können. Ein europäisches Bodengesundheitsgesetz schließt analog zur Reduzierung chemischer Pflanzenschutzmittel eine pauschale Reduzierung des Düngemitteleinsatzes um verbindlich mindestens 20 Prozent mit ein.