Ökologisch und ökonomisch müssen
zusammen gehen

Pressemeldung

Markt am Karl-August-Platz in Berlin. Quelle: Berlin.de Foto: BACW/Brühl

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Meike Mieke

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Zu den aktuell veröffentlichten Kennzahlen des Bio-Spitzenverbandes Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) der Bio-Entwicklung 2021

Teltow, 17.2.2022 „Hochgesteckte Ziele für den Ökolandbau können nur erreicht werden, wenn ökologische und ökonomische Abwägungen zusammen gehen. Sollen 20 Prozent oder bundesweit 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ökologisch bewirtschaftet werden, erwarte ich einen angemessenen Anteil an Lebensmitteln, die auf diesen Flächen erzeugt werden, auch im täglichen Lebensmittelangebot,“ relativiert der Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg, Henrik Wendorff, die derzeit herrschende Euphorie der Biobranche angesichts der seit 2020 anhaltenden Rekordumsätze mit Blick auf sein Bundesland. „Hier sprechen die Zahlen der großen Ketten des Lebensmitteleinzelhandels, die ihr Biosortiment im Markt aufgrund der sprunghaft gestiegenen Nachfrage während der Corona-Pandemie deutlich erweitert haben und Bioprodukte aus Europa und der Welt zu weitaus günstigeren Preisen als im Bio-Fachhandel anbieten. Mit dieser Angleichung eines einst berechtigt hochpreisigen Bioprodukts an die gängigen Lebensmittelpreise geht jedoch die Gefahr des Verramschens einher“, so Wendorff weiter. Immerhin beträgt der Anteil der Einkaufsstätten des konventionellen Lebensmitteleinzelhandels am Biomarkt nunmehr 62 Prozent.

Eine Stippvisite im Obst- und Gemüseregal der Discounter zeigt, dass selbst heimische Freilandkulturen wie Kohl, Zwiebeln, Möhren Importware sind. Brandenburger Ökolandwirte berichteten im vergangenen Jahr verstärkt, dass ihnen die Vermarktung ihrer Feldfrüchte zu Öko-Konditionen Schwierigkeiten bereitete und sie für ihre Ware teilweise konventionelles Preisniveau akzeptieren mussten. „Ein erfolgreicher Ökolandbau fängt jedoch bei der Prosperität der Erzeuger durch Absatzsicherheit ihrer Produkte vor dem Hoftor an“, betont Henrik Wendorff.

Von rund 1.310.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche bewirtschaften Brandenburgs Ökolandwirte mittlerweile rund 188.600 Hektar, das entspricht einem Anteil von rund 14,4 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche im Land Brandenburg. Im Ranking der Bundesländer bezüglich des Anteils an der ökologischen Anbaufläche in ganz Deutschland ordnet sich Brandenburg damit weit oben an dritter Stelle nach Bayern und Baden-Württemberg ein (Stand 12/2020, Agrarbericht Brandenburg). Bei einer Steigerung auf 20 Prozent der Fläche müssten weitere 5,6 Prozent bzw. 73.400,00 Hektar hinzukommen, die aus den EU- und Landesmitteln zusätzlich gefördert würden, ohne dabei den Selbstversorgungsgrad der Hauptstadtregion mit Biolebensmitteln aus der Region nennenswert zu erhöhen. Denn der Zugang in den Handel, so die aktuelle Tendenz, wird nicht leichter.

Zudem gehen mit der nationalen Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2023 auch für Ökolandwirte empfindliche Reduzierungen der einkommenswirksamen Basisprämie aus der 1. Säule der EU-Agrarförderung einher. Konventionell und ökologisch wirtschaftende Landwirte unterliegen dann ohne Unterscheidung den erweiterten Anforderungen an einen „Guten ökologischen Grundzustand der Flächen“ (GLÖZ, „grüne Architektur“), und können bisherige zusätzliche Ökoleistungen wie zum Beispiel die freiwillige Stilllegung von Flächen, Pufferstreifen an Gewässern, Blühstreifen zur Beförderung der biologischen Vielfalt nicht mehr zusätzlich geltend machen. Neben der angemessenen Honorierung der Erzeugnisse aus dem ökologischen Landbau seitens der Märkte bleibt die öffentliche Förderung jedoch wesentlicher Garant für den wirtschaftlichen Erfolg der ökologisch wirtschaftenden Betriebe.
Sowohl die fehlende Absatzsicherheit für einen Teil der in Brandenburg ökologisch erzeugten Produkte als auch die zu erwartenden reduzierten Prämienzahlungen aus der EU-Agrarförderung gebieten daher Vorsicht und gründliche Abwägung der Entscheidung, auf ökologische Bewirtschaftung umzustellen. Allein runde Prozentzahlen zu präsentieren, darf hier nicht der Antrieb sein.

Vielmehr tritt der Landesbauernverband Brandenburg dafür ein, die effizienten, agrarwirtschaftlich bewährten, pflanzentechnologischen Strategien und innovativen, digitalen Verfahren im konventionellen Anbau mit den kreativen, auf wertvollem „altem Wissen“ basierenden Anbau- und Haltungsmethoden des ökologischen Landbaus zu kombinieren. Um mit dem Pionier des Ökolandbaus und Schweizer Agrarwissenschaftler Urs Niggli zu sprechen:

„Die Lösung, die man heute bei uns sucht, sind produktive Anbausysteme, die gleichzeitig bodenschonend sind, die die Biodiversität erhalten und die Umwelt nicht belasten. Die Konzentration von hoher Produktivität und ökologischer Nachhaltigkeit, das ist der Weg, den wir heute gehen müssen.“

Die konventionell wirtschaftenden Landwirte in Brandenburg haben sich bereits mit einer Vielzahl nachhaltiger Bewirtschaftungsmethoden auf den Weg gemacht. Maßgabe sollte daher eher sein, die Deckungsgleichheit zwischen ökologisch und konventionell zu vergrößern und die Wertschätzung der Bevölkerung für alle Erzeugnisse der Landwirtschaft deutlich zu steigern.

Hintergrund

Wichtigstes Bio-Anbauprodukt in Brandenburg ist Getreide, hier vor allem der Roggen. Weitere Schwerpunkte sind Bewirtschaftung von Dauergrünland in Verbindung mit Weidetierhaltung, sowie Pflanzenanbau zur Grünernte (Mais, Leguminosen, Feldgras) für die Futtermittelgewinnung. Mit großem Abstand folgen Hackfrüchte (Kartoffeln, Zuckerrüben), Hülsen- und Ölfrüchte zur Körnergewinnung sowie Gartenbauerzeugnisse im Freiland (Gemüse, Erdbeeren, Blumen, Zierpflanzen).
Großes Ausbau- und Vermarktungspotenzial in Brandenburg hat die Erzeugung von Bio-Fleischprodukten.