Ernte 2022 - Politik und Wetter bestimmen die ernteergebnisse
(Wulkow, 25.8.2022) Mit etwa 2,2 Millionen Tonnen eingefahrenem Getreide bilanziert der Landesbauernverband für das Jahr 2022 eine Erntemenge wie im Vorjahr. Diese liegt damit erneut etwa neun Prozent unter dem sechsjährigen Mittel (2016 bis 2021) von 2,43 Millionen Tonnen. Das ist umso bedenklicher, als dass dieser Mittelwert durch den Ertragseinbruch im Dürrejahr 2018 bereits stark geschmälert wurde.
Die dominierenden Getreidekulturen im klassischen Anbau am Standort Brandenburg sind Weizen, Roggen, Gerste und Triticale. Insgesamt wurde Getreide ähnlich wie im Vorjahr auf einer Fläche von über 417.000 Hektar angebaut. Die Anbaufläche für heimische Eiweißpflanzen (Erbsen, Lupinen, Soja) wuchs dagegen um 20 Prozent. Die Anbaufläche für Sonnenblumen verdoppelte sich um mehr als die Hälfte auf 29.600 Hektar. Der Ausblick auf die bevorstehende Ernte der Ölpflanze ist jedoch getrübt. In der entscheidenden Kornbildungsphase fehlte ihr das Wasser.
Eine durchweg pessimistische Einschätzung treffen Brandenburgs Landwirte bei den Erträgen von Silomais zur Futtergewinnung. Wurden im Dürrejahr 2018 im Schnitt nur 21,4 Tonnen pro Hektar geerntet, rechnen Landwirte selbst auf nährstoffreicheren Böden nur noch mit einem Ertrag von maximal 20 t/ha. Das ist nicht einmal die Hälfte eines normalen Ertrages. Dramatisch ist die Situation vor allem in den südlichen Teilen des Landes Brandenburgs.
Henrik Wendorff, Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg, führte auf dem heutigen Feldnachmittag im Betrieb der Wulkower Agrar GmbH in der Ostprignitz dazu aus:
„Natürlich treffen uns extreme Wetterereignisse wie in diesem Sommer am Brandenburger Stand-ort besonders hart. Doch hier steuern wir bereits aktiv mit gezielten Klimaanpassungsmaßnahmen gegen. Wir rekapitulieren die diesjährige Ernte eher mit Blick auf die politischen Ereignisse: Der Krieg in der Ukraine, der neben allem Leid die Beschaffung und Herstellung von Energie in unserem Land neu definiert hat als auch die agrarpolitischen Entscheidungen der letzten Jahre, die unsere pflanzenbaulichen Entscheidungen beeinflussen.“
Mehr Sonnenblumen und Leguminosen auf Brandenburger Feldern
Brandenburgs Landwirte reagierten im Frühjahr auf die sprunghaft gestiegene Nachfrage nach Sonnenblumenöl und haben den Anbau ausgedehnt. Sie setzten zudem verstärkt auf den Anbau heimischer Eiweißpflanzen, um hofeigenes Tierfutter herzustellen und somit ohne Zukäufe von Futterkomponenten aus Drittländern auszukommen. Die Erträge haben jedoch in diesem Jahr sehr enttäuscht.
Konsequenzen aus der neuen Düngeverordnung
Auch die Auflagen durch die Düngeverordnung lassen sich in den Ernteergebnissen ablesen. Die vorgeschriebene Reduzierung von Stickstoffdünger-Gaben in so genannten Roten Gebieten um 20 Prozent haben Auswirkungen auf Ertrag und Qualität des Korns, die im Zusammenspiel mit Trockenheit und Hitze noch verstärkt werden. Weizen, der zur Herstellung von Brot und Backwaren verwendet wird, benötigt ein bestimmtes Proteingehalt, das durch gezielte Düngung befördert wird. Vielerorts haben Brandenburgs Landwirte die erforderliche Qualität für Backweizen nicht er-reicht. Im Bundesvergleich ernteten die Brandenburger Bauern am wenigsten Weizen pro Hektar.
Folgen des Ukrainekrieges
Nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine verdreifachte sich der Preis für Stickstoffdünger. Lag der Preis für Kalkammonsalpeter (KAS) Anfang 2021 noch bei 230 €/Tonne zu Beginn der Wo-che wurden 775 Euro €/Tonne verlangt. Stickstoff ist maßgeblich an der Photosynthese beteiligt. Er ist für das Wachstum der Pflanzen und somit für die Ertragsbildung verantwortlich.
Auswirkungen des Abbaus der Tierbestände in Brandenburg
Auch die Konsequenzen aus dem signifikanten Rückgang der Tierhaltungen werden in den Ernten sichtbar. In drei Jahrzehnten, von 1991 bis 2021, verringerte sich der Milchrinderbestand im Land Brandenburg von 286.680 auf 132.350 Tiere. Mit etwa 685 000 Schweinen (2021) verzeichnen wir den geringsten Bestand der letzten 30 Jahre. Festmist, Stalldung und Gülle unserer Nutztiere fehlen in den betrieblichen Stoffkreisläufen.
Folgen strategischer Entscheidungen
Das Anfang Juli zu Diskussion gestellte Ziel der europaweiten Halbierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes bis 2030 ist eines der einschneidendsten Vorhaben für die Landwirtschaft in der EU. Eine derart drastische Reduktion von Pflanzenschutzmitteln hat automatisch Auswirkungen auf Erträge und Qualität.
Henrik Wendorff:
„Die Ernte 2022 offenbart: das Wetter und die Klimaveränderungen sind nicht die alleinigen Ursachen für unsere Ernteergebnisse. Eine Ernährungssicherung bei sorgfältigem Umgang mit unseren verfügbaren Ressourcen geht nur zusammen mit einer standortbezogenen und praxisnahen Landwirtschaftspolitik. Wir fordern hierfür einen fokussierten und lösungsorientierten Dialog, der auch die Verbraucherinnen und Verbraucher mitnimmt. Denn sie werden am Ende die steigenden Preise bezahlen müssen, die auch aus den agrarpolitischen Entscheidungen erwachsen.“