Gute bezahlung ist unser Anspruch

Pressemeldung

Angestellter des AWO Reha-Guts Kemlitz. Foto: Christian Gaul

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Zum Beschluss des Bundeskabinetts über eine weitere Erhöhung des Mindestlohns auf 12,00 €/Stunde ab dem 1. Oktober 2022

Teltow, 24.2.2022. „Landwirtschaft in Brandenburg ist naturgemäß eine Branche mit vielen Beschäftigten, die in Stallanlagen, auf den Feldern, in Werkstätten, in Lagern, im Maschinenpark, in der Verwaltung arbeiten. Ihnen allen soll ein fairer Lohn gezahlt werden. Gute Bezahlung ist unser Anspruch, aber sie muss auch von unseren Betrieben erwirtschaftet werden können.“ So LBV-Präsident Henrik Wendorff zum gestrigen Bundeskabinettsbeschluss über eine weitere Erhöhung des Mindestlohns auf 12,00 €/Stunde.

Aktuell stelle sich die Situation vieler Betriebe so dar, dass die deutlich gestiegenen Energie- und Betriebsmittelkosten sowie der hohe Investitionsdruck in tierwohl- und umweltgerechte Infrastruktur durch den Erlös für ihre Erzeugnisse nicht ausgeglichen werden. Folgt man der stufenweisen Erhöhung des Mindestlohns von Januar 2021 bis Oktober 2022 müssen die Betriebe in diesem Zeitraum eine Angleichung der Lohnkosten von mehr als 20 Prozent stemmen. Die Anpassungen müssen zudem im gesamten Lohngefüge des Betriebes vorgenommen werden, da alle Qualifikationen und Vergütungsgruppen zu berücksichtigen sind. Das schlägt vor allem in den personalintensiven Betriebsbereichen wie die Tierhaltung sowie im Kartoffel- oder Gemüseanbau zu Buche und könnte letztendlich zum Abbau von Arbeitskräften führen.

„Die Rohware Gurke“, erläutert LBV-Vizepräsident und Betriebsleiter Heiko Terno seine Kalkulation, „verteuert sich mit Lohnangleichung, Energie- und Betriebsmittelkosten um 32 Prozent. Das ist ein Preisanstieg für regional erzeugte Ware, den das abnehmende verarbeitende Werk in Golßen/ Spreewald, emotionslos mit der bereits verkaufsfertig konservierten Ware aus China vergleichen wird und gegebenenfalls austauschen kann.“

In einer kurzen Umfrage des Landesbauernverbandes zum Thema Mindestlohn unter Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern befürworteten diese grundsätzlich die Erhöhung des Mindestlohns für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer allein schon vor dem Hintergrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten (siehe „Hintergrund“). Sie alle befürchten jedoch einen damit einher gehenden Strukturwandel, weil personalintensive Betriebszweige geschlossen und die dort einst erzeugten Produkte durch jene des Weltmarktes ersetzt werden.

„In der Brandenburger Landwirtschaft überwiegen ständige Anstellungsverhältnisse familienfremder Arbeitskräfte mit einem gesetzlich geregelten Arbeitgeberanteil zum Bruttolohn.“, weist Henrik Wendorff auf den besonders positiven Aspekt der Brandenburger Agrarstruktur hin. „Wir brauchen daher von staatlicher Seite weitsichtige Entlastungsmodelle für Unternehmen im ländlichen Raum, um sie als attraktiven Arbeitgeber vieler Beschäftigter jenseits der städtischen Ballungsgebiete zu halten.

Wir erinnern in diesem Zusammenhang an das Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag der regierenden Parteien, regionale Wertschöpfungsketten zu stärken und zum Erhalt ländlicher Strukturen beizutragen.“

Die Stärke der Brandenburger Agrarstruktur liegt in der Vielfalt der betrieblichen Rechtsformen mit einem hohen Anteil von Personengesellschaften und juristischen Personen. Von den insgesamt 37.600 Arbeitskräften in der Landwirtschaft Brandenburgs im Jahr 2020 zählten rund 39 Prozent zu den ständig angestellten Arbeitskräften (14.500), ca. 9 Prozent zu den Familienarbeitskräften ohne Beschäftigungsstatus (3.400). Rund 40 Prozent der Personen (14.900) sind Saisonarbeitskräfte im Gemüse- und Obstanbau, das heißt Personen mit einem Arbeitsvertrag, der auf weniger als sechs Monate befristet ist (Quelle: Agrarbericht Brandenburg)

Hintergrund

Was sagen Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter landwirtschaftlicher Unternehmen in Brandenburg zum Thema Mindestlohn?

Benjamin Meise, Geschäftsführer, Fürstenwalder Agrarprodukte GmbH Buchholz
„Für die Mitarbeiter ist das eine feine Sache. Und ganz ehrlich: Sie würden eigentlich noch mehr verdienen. Allerdings muss das alles auch erwirtschaftet werden. Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Wir müssen leider davon ausgehen, dass nicht jeder Betrieb den Mindestlohn erwirtschaften kann. Dies wird dazu führen, dass die schwächsten Betriebe bzw. auch personalintensive Betriebszweige schließen werden. Beim Ranking der Betriebe und Betriebszweige dürfen wir allerdings nicht den Fehler machen, nur nach Deutschland zu blicken. So stehen wir mit vielen landwirtschaftlichen Produkten bereits seit Längerem im internationalen Wettbewerb. Das bedeutet, dass wenn wir mit stetig steigenden Anforderungen an unsere deutschen Betriebe den Bogen weiter überspannen, die Produktion bestimmter Güter nur noch außerhalb von Deutschland zu Bedingungen stattfinden wird, die wir eigentlich verhindern wollten. Ferner verlieren wir zunehmend unsere Selbstversorgungsfähigkeit. Ob das angesichts von Pandemien und Kriegsgefahren klug ist, darf doch stark angezweifelt werden.“

Wenke Möllhoff, Geschäftsführerin, Pflanzenbau Hof Fichtner, Uckermark
„Kurz gesagt, aus meiner betrieblichen, individuellen Brille eines Ackerbaubetriebes: da liegen wir lange drüber. Wer gute Leute braucht, muss auch gut bezahlen. Natürlich hebt es das Niveau auch insgesamt, aber die finanzielle Situation wird immer angespannter... weil das ja auch auf die besseren Löhne abfärbt am Ende. Wie das Tierhaltungsbetriebe abfangen sollen, weiß ich nicht. Wenn es am Ende an die Liquidität geht, dann machen wieder erst die Kleineren dicht. Insofern wird der Strukturwandel angetrieben.“

Dorsten Höhne, Geschäftsführer, Agrargenossenschaft Züllsdorf, Elbe-Elster
„Das hat nichts damit zu tun, dass ich meinen Leuten die Erhöhung nicht gönne. Aber es bedeutet eine Erhöhung der Personalkosten in meinen Betrieb um 20 Prozent insgesamt. Wenn die wirtschaftlichen Bedingungen es nicht hergeben, führt das unweigerlich zur Schließung arbeitsintensiver Betriebszweige. Und das wird den Strukturwandel im ländlichen Raum noch mehr befördern.“

Sven Deter, Geschäftsführer, Wulkower Agrar GmbH, Ostprignitz
„Ich sehe es aus der Sicht der Arbeitnehmer. Bei den Teuerungsraten überholt sich die Diskussion sowieso. Kurz, es ist vergossene Milch, das zu beklagen! Wir sollten alle den Anspruch haben, unsere Leute gut zu bezahlen! Das wir nicht genug Geld einnehmen mit unseren Produkten, ist aber wichtig zu betonen.“

Dr. Thomas Gäbert, Vorstand, agt Agrargenossenschaft Trebbin, Teltow-Fläming
„Es wird für uns teuer, da es dann die dritte Lohnanpassung im Jahr 2022 ist. […] Das Problem ist die notwendige "Nachobenschiebung" des gesamten Lohngefüges. Ich muss den Betrag, den ich bei den Mindestlohnempfängern drauflege, ja auch allen anderen Kollegen drauflegen, da sonst irgendwann alle dasselbe bekommen, trotz unterschiedlicher Leistung und Qualifikation. Und das bei den gestiegenen Kosten und Nichtverfügbarkeit vieler Produktionsmittel. Da müsste schon der Milchpreis auf 50 Cent rauf und der des Weizens bei mindestens 350 €/t kommen. Was das wiederum für die Kosten im Laden (folglich dann als Inflation) bedeutet, ist sicherlich klar. Ich finde den Mindestlohn prinzipiell gut, aber mit der verbundenen Inflation aktuell ist es mehr Show, als dass die Leute am Ende mehr in der Tasche haben bzw. ihre Kaufkraft zugenommen hat.“