Wie viel vegan könnte brandenburg?

Pressemeldung

Die ersten verarbeiteten Kichererbsen der agt Trebbin im Glas (2021). Foto: TGäbert

LBV-Pressestelle

Meike Mieke

Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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Der Anbau heimischer Eiweißpflanzen könnte auch in Brandenburg mehr boomen, stößt aber an natürliche und wirtschaftliche Grenzen – Eine Brandenburger Eiweißpflanzenstrategie und -förderung fehlt 

Brandenburgs Landwirtinnen und Landwirte setzen verstärkt auf den Anbau von großkörnigen pflanzlichen Hülsenfrüchten (Leguminosen) wie Körnererbsen, Sojabohnen, Linsen oder auch Kichererbse. Vor allem Körnererbse und Soja verzeichnen aktuell Zuwachs in der Anbaufläche. Sie betrug im Jahr 2021 etwa 10.000 Hektar für die Körnererbsen gegenüber 8.850 Hektar im Vorjahr sowie etwa 1.000 Hektar für Sojabohnen gegenüber ca. 650 Hektar in 2020.

Neben wertvollen regenerierenden Eigenschaften für Boden und Folgekultur liefern diese Kulturen die essenziellen Bestandteile für die menschliche vegane Ernährung, die, so zeigt es auch der aktuelle Ernährungsreport des Bundeszentrums für Ernährung, signifikant Verbreitung findet. Gerade in der Hauptstadtregion sollten Hülsenfrüchte vom Brandenburger Acker daher ein hohes Vermarktungspotenzial haben. Doch nur ein verschwindend geringer Anteil der in Brandenburg angebauten Körnererbsen, Sojabohnen oder Kichererbsen findet sich im Veggy-Burger oder im Tofu wieder. Dabei setzen innovative Brandenburger Landwirtschafts-betriebe mit Klima schonenden Anbaukonzepten bei der Erzeugung von Lebensmitteln bewusst auf Hülsenfruchtanbau zur Weiterverarbeitung für Produkte der menschlichen Ernährung.

Drei hier im Hintergrund erläuterte Betriebsansätze für den Leguminosenanbau zeigen: Erfolgreicher Leguminosenanbau in Brandenburg erfordert Investitionen in Betriebsmittel und Beregnungstechnik für die konventionelle Erzeugung, sowie weitere Investitionen in Hack- und Striegeltechnik im ökologischen Anbau. „Es zeigt sich, eine Brandenburger Eiweißstrategie fehlt, die das hohe wirtschaftliche Risiko für den Anbau von Leguminosen für die menschliche Ernährung mit Förderprogrammen abfedert und damit konkurrenzfähig zu unseren markterprobten Kulturen macht“, resümiert Heiko Terno, LBV-Vizepräsident und Geschäftsführer des AWO Reha-Gut Kemlitz. „Nur so können wir die Grundstoffe für eine gesunde, eiweißhaltige Ernährung aus der Region in die Region liefern und gleichzeitig unsere Kulturlandschaft mit einer, für diese Pflanzen typischen, bienenfreundlichen Blütenpracht bereichern.“

Ziel einer regionalen Wertschöpfungskette muss es sein, Roherzeugnisse aus heimischem Anbau als erstes Glied in der Kette zu etablieren und nicht von vornherein auszuschließen, nur weil sie zum Beispiel nicht biozertifiziert sind. Hier bedarf es Aufklärung über die Unbedenklichkeit und nicht einer weiteren Verknappung für den heimischen Markt zugunsten außereuropäischer Erzeuger.

Aus pflanzenbaulicher Sicht sind Leguminosen mit ihrer Fähigkeit, Stickstoff im Boden zu binden und an Folgekulturen weiter zu reichen, gerade auf den nährstoffarmen Böden Brandenburgs höchst wertvoll. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um eine Verschärfung der Düngeverordnung sind Instrumente für eine Förderung des Leguminosenanbaus als Alternative zur mineralischen Stickstoffdüngung daher ein weitaus konstruktiverer, praxisnäherer Weg als Ordnungsrecht durch die Düngeverordnung auszuüben. Unseren Vorschlag dazu haben wir unter Punkt 26 des Neuen Brandenburger Wegs formuliert.

Hintergrund

Die Herausforderungen eines ertragsschwachen Standortes mit überwiegend sandigen Böden sowie zunehmende Hitze und andauernde Trockenphasen bewogen die Agrargenossenschaft Trebbin zum Anbau der Kichererbse, die aufgrund ihrer mediterranen Herkunft Hitze, Trockenheit und nährstoffarmen Boden gut tolerieren kann. Für den notwendige Unkrautbekämpfung wog das Unternehmen zwischen mechanischem oder chemischem Pflanzenschutz ab. Die Kosten für eine mechanische Unkrautbekämpfung lagen erheblich über dem chemischen Pflanzenschutz, während die Wirksamkeit deutlich darunter liegt. Berliner Verarbeitungsunternehmen pochten auf die Lieferung biozertifizierter Ware. Die konventionell erzeugte Kichererbse der Agrargenossenschaft Trebbin – ein mehrfach für nachhaltiges Wirtschaften und intelligentes Wassermanagement ausgezeichnetes landwirtschaftliches Unternehmen – schaffte es somit nicht in die verarbeitende Produktion eines Berliner- oder Brandenburger Unternehmens, obwohl es ein hochwertiges Produkt aus der Region ist.

Anders die Situation im AWO Reha-Gut Kemlitz, das auf etwa 30 Hektar Körnererbsen anbaut. Das in der Nähe angesiedelte Golßener Werk der Emslandstärke-Group reiße ihm seine Erbsen förmlich aus den Händen, erläutert Heiko Terno, Geschäftsführer des Gutes. Das Unter-nehmen suche in ganz Europa Erzeuger. „Das Problem sind die hohen Kosten für das Saatgut“, so Terno weiter. „Zudem beanspruchen Leguminosen in der Reifephase einen Grundstock an Wasser“. Das AWO-Gut Kemlitz verfügt über Beregnungsanlagen und kann das fehlende Wasser zuführen – das können viele Landwirte nicht.

Der Brandenburger Standort der Emsland-Group in Golßen eröffnet in jedem Fall alle Chancen für den Aufbau einer regionalen Lieferkette von Erzeuger, Erstverarbeiter, Zweitverarbeiter bis zum Lebensmitteleinzelhandel. Die Emsland-Group verarbeitet jährlich 150.000 Tonnen Körnererbsen zu Erbsenstärke und Erbsenprotein. Rohstoffe, die sich in Fleischersatzprodukten, in Backwaren, in der diätischen- oder Sportlerernährung wieder finden.

Für Brandenburgs Landwirtschaft typisch und von vielen tierwirtschaftlichen Unternehmen seit Jahrzehnten erprobt ist der Anbau von kleinkörnigen Leguminosen für betriebseigenes Tierfutter (Luzerne, Klee-Arten) oder auch von großkörniger Lupine. Allen Betrieben gemeinsam ist der Ansatz, den Energiebedarf ihrer Tiere nachhaltig und klimabewusst aus betriebsnahen, heimischem Eiweißpflanzenanbau auf eigenes wirtschaftliches Risiko zu decken. Schon vor 10 Jahren erweiterte die Agrargenossenschaft Sonnewalde eG den Futterpflanzenanbau um die weitaus anspruchsvollere Sojabohne, deren Wasserbedarf in der Auflaufphase und Wärmebedürftigkeit in der herbstlichen Reifezeit weitaus mehr Aufwand und Planungsunsicherheit birgt. „Im Vergleich zur Bestellung derselben Fläche mit Weizen ist der Sojabohnenanbau ruinös“, erläutert Geschäftsführer Thomas Jülke. Ihm ginge es vor allem um die Erzeugung heimischer Eiweißpflanzen als Alternative zur importierten, gentechnisch veränderten und klimapolitisch höchst belasteten Sojabohne.