Schweinehalter erteilen
der Politik eine Abfuhr 

Pressemeldung

LBV-Pressestelle

Meike Mieke

Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

03328 319 202E-Mail schreiben

Tag des Schweinehalters 2022 offenbart verlorenes Vertrauen des Berufsstandes 

Auf dem diesjährigen Treffen des Berufsstandes – „Tag des Schweinehalters“ – erteilten die Praktiker der Politik eine Abfuhr. „In einer Region, die nach EU-Maßgaben als ‚nicht besiedelt‘ gilt, ist es uns nicht gelungen, eine Genehmigung für einen Stallneubau für eine Bio-Sauenhaltung zu bekommen“, erläutert Hans Heinrich Grünhagen, Inhaber des Hofes Grünhagen in Wernikow/Ostprignitz, den Werdegang seiner neuen Unternehmung „Bio-Sauenstall Wulfersdorf“. Zuletzt eröffnete sich nur noch ein Weg über den Kauf eines alten Kuhstalls, der nun umgebaut und als Lager genutzt wird, damit der Bau eines neuen Schweinestalls außerhalb des Dorfes möglich ist.

Grünhagens Fazit nah langwierigem Ringen um den Bau der Anlage lautet: „Der Wunsch nach regionaler Produktion vor Ort wird von der Politik gern propagiert, doch in der Umsetzung nicht ermöglicht.“ Das gemeinsam mit der Handelskette ALDI geplante Projekt umfasst eine Stallanlage mit acht Gebäuden, in denen 550 Sauen in Gruppenhaltung auf Stroh, mit Auslauf, reichlich Platz- und Beschäftigungsangebot gehalten werden sollen. Der Landwirt investiert, da er in dieser Konstellation einer Partnerschaft mit dem Handel auf der Basis langfristiger Verträge eine Chance sieht.

Auch Dorsten Höhne, Vorsitzender des LBV-Fachausschusses Tierhaltung und Tiergesundheit und Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Züllsdorf, sprach den politischen Entscheidungsträgern jedwedes Vertrauen in Bezug auf das Vorantreiben einer zukunftsfähigen Schweinehaltung in Brandenburg ab. Höhne plant derzeit eine PigPort5-Anlage für die Großgruppenhaltung der Schweine auf Stroh, mit Außenbereich, sogar mit einem „Schweinecafé“ für den ungefilterten Besucherblick auf die Haltungsbedingungen der Tiere. Ihn bremsen jedoch die weder berechenbaren noch vorhandenen politischen Maßgaben für einen Tierwohlstall, der sich langfristig wirtschaftlich tragen würde. Nachdrücklich fordert Höhne eine Identifizierung des Landes Brandenburg mit der eigenen Nutztierhaltung ein, das mit einem Schweinebesatz von 48 Tieren pro 100 Hektar alarmierend geringe Tierzahlen aufweist. Dies entspricht einer Großvieheinheit (GVE) von rund 0,04 pro Hektar. Als Richtwerte für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft gelten jedoch 1 bis 2 GVE.

Für den Umbau und die Weiterentwicklung der Tierhaltung brauche es zudem wirtschaftlich tragfähige Konzepte der Politik für alle Unternehmensformen und für die bereits bestehenden Stallanlagen in der Schweinehaltung, betont Dorsten Höhne: „30 Prozent der Schweinehalter könnten theoretisch in ein Premiumstallmodell investieren und die entsprechend höherpreisigen Fleischprodukte am Markt platzieren. Doch was passiert mit den verbleibenden 70 Prozent der Schweinehalter, die konventionelle Ställe für die gesetzlichen Haltungsstufen 1 und 2 betreiben, in diese investieren möchten und den Großteil des Marktes bedienen? Darauf hat die Politik keine Antwort. Das finde ich verwerflich.“

Der fehlende politische Rückhalt für die Brandenburger Schweinehaltung wurde auch in den Ausführungen von Ulrich Böhm, agrarpolitischer Referent des LBV Brandenburg deutlich: „Es existiert derzeit kein einziges Förderprogramm des Landes Brandenburg, das den Schweinehaltern eine nennenswerte Perspektive für größere Investitionen in ihre Haltungen anbietet.“ So ist die mehrfach angekündigte Richtlinie des MLUK für die einzelbetriebliche Investitionsförderung immer noch nicht veröffentlicht. „Einen Bauantrag hat man ja auch nicht in der Tasche“, erklärt ein Teilnehmer. Die Herausforderung, bauliche Stallumbau- oder Neubauten für mehr Tierwohl sowohl mit den bau- und umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren als auch mit den Vorgaben eines Investitionsförderantrags zu synchronisieren, stehe weiterhin ungelöst im Raum.

Der „Tag des Schweinehalters“ 2022 stand auch im Zeichen krisenbedingter Kostensteigerungen und der tendenziell sinkenden Nachfrage nach Schweinefleisch. „Verarbeiter und Vermarkter sind genauso von der Krise betroffen“, betont Kai Rückewold, Geschäftsführer von pro agro e.V. – Verband zur Förderung des ländlichen Raumes in der Region Brandenburg-Berlin. Sein Bericht zum Stand der Etablierung des Brandenburger Regionalsiegels „Gesicherte Qualität Brandenburg“ im Bereich Schweinefleisch verdeutlichte klar, dass eine funktionierende regionale Wertschöpfungskette politisch-gesellschaftlichen Rückhalt braucht.

Das Potenzial für eine Selbstversorgung der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg mit Qualitätsschweinefleisch aus der Region ist nach wie vor vorhanden und belegt die Zukunftsfähigkeit der Branche. Die notwendigen politischen Rahmenbedingungen dafür hat der Landesbauernverband Brandenburg in seinem Leitpapier „Der Neue Brandenburger Weg“ untersetzt.